Donald Trump hat sich mit seinem Wahlkampf an die Spitze einer eigenartigen sozialen Bewegung gesetzt. Deren Motto: „Was kümmert uns die Wahrheit?“ Auf der Website der Stiftung Politifact, die Aussagen von Politikern sorgfältig überprüft, werden mehr als 70 Prozent von gut 230 Aussagen Trumps als „mostly false“, „false“ oder „pants on fire“ (aus dem Pinocchio-Land) eingestuft. Bei der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton fallen immerhin noch fast 30 Prozent der Aussagen in diese Kategorien.
„Liar liar pants on fire!“ – ein neues politisches Erfolgsrezept
Ein haarsträubendes Beispiel aus dem Pinocchio-Land: Trump twitterte eine Statistik über Tötungsraten – aufgeteilt nach Schwarzen, Weissen und Polizisten als Täter sowie bei den Opfern nach Schwarzen und Weissen. Der Kern der Trump-Statistik: Schwarze sind meistens die Täter und Polizisten machen kaum Fehler. Die Zahlen sind frei erfunden, die angegebene Quelle existiert nicht und das getweetete Bild mit der Statistik wurde einem Neonazi auf dem Netz geklaut.
Dennoch würden seit Mai 2015 bis heute zwischen 32 und 51 Prozent der befragten US-Amerikaner Trump wählen. Um Bürger zu überzeugen, muss man es mit der Wahrheit offenbar nicht so genau nehmen. Ein weiteres Beispiel ist Boris Johnson, der mit aus der Luft gegriffenen Zahlen zum Sparpotential eine Brexit-Abstimmung gewinnt.
Auch andere bekannte Populisten (jetzt wird mir endlich klar, was mit dem Wort gemeint ist) haben ein lockeres Verhältnis zur Wahrheit. Gefühle zählen mehr als kalte Fakten. Doch: „Wo alle Meinungen gleich viel wert sind, zählt am Ende die Meinung des Stärkeren“, brachte der Journalist Constantin Seibt unsere politischen Aussichten auf den Punkt. Die Wahrheitsquote bei einer durchschnittlichen SRF-Arena möchte ich lieber nicht sehen.
Ich klammere mich derweil verzweifelt an die Gruppe von Menschen, die sich zur Wahrheit bekennen – und sich getrauen, den anderen in ihrem Irrglauben, ihrer Gleichgültigkeit, ihrer politischen Korrektheit und ihrem philosophischen Relativismus zu widersprechen. Ich danke den Wissenschaftlern und Journalisten, die sich tagtäglich dafür anstrengen, die Tatsachen von ihrer Meinung auseinanderzuhalten.
Ihnen widme ich mein neues Buch „Wissenschaftlich erwiesen – Gütesiegel oder Etikettenschwindel?„, das am 14. September 2016 erscheinen wird.