„Philosophen sind berüchtigt dafür, Strohmann-Gegner aufzubauen, die nicht wirklich existieren, und dabei ihr echtes Publikum zu vergessen“, sagt der Philosoph Galen Strawson. Er irrt sich. Nicht nur Philosophen, wir alle machen uns andauernd schuldig, die Gegenargumente unserer Gegenüber bis zur Lächerlichkeit zu verzerren.
Unsere Meinung ist uns oft wichtiger als die Wahrheit. Dabei streiten wir so verbissen, dass wir die wahre Position des Gegenübers gar nicht mehr wahrnehmen. Anstatt zu belegen, dass wir recht haben, zeigen wir das die Gegenseite unrecht hat, wie dumm sie ist. Kurz: Wir fangen an, uns Strohmänner zu basteln – Karikaturen, mit der die Argumente des Gegenübers durch den Kakao gezogen werden. Die Wahrheit geht unter.
Ein Homöopath prahlt: „Im Gegensatz zur Schulmedizin behandeln wir die Patienten ganzheitlich.“ Als würden die Ärzte nur Symptombehandlungen vornehmen (ein Beispiel). Ein Politiker spottet nach einem besonders kalten Wintermonat: „Draussen liegt Schnee und die Klimaalarmisten sprechen von einer Erwärmung.“ Als hätten die Klimawissenschaftler behauptet, dass es nie mehr schneit (ein Beispiel).
Strohmänner: Aus Wut karikieren wir uns manchmal sogar selbst.
Strohmänner sind eine Gefahr, für die vernünftige Entscheidungsfindung. Sie teilen uns in verfeindete Lager ein und verstellen damit die freie Sicht auf die Wahrheit. Und immer wieder basteln wir uns neue Strohmänner. Sie haben sogar die Kraft uns selbst in einen Strohmann unser eignen Meinung zu verwandeln. Die Algorithmen von Google und Facebook helfen kräftig mit, indem sie uns das zum frass vorwerfen, wonach es uns am meisten gelüstet und nicht, was unseren Horizont am meisten erweitern würde. Sie schliessen uns in unserer Filterblase ein, wo wir die anderen immer nur als Strohmänner sehen. Wir lesen nicht selbst, was sie sagen, sondern nur, was unsere Freunde über sie sagen.
Wenn uns wirklich an der Wahrheit gelegen ist, sollten wir uns mit den Anderen ernsthaft auseinandersetzen und verstehen, was sie wirklich meinen. Das heisst nicht, dass immer alle einer Meinung sein oder am Schluss die sogenannte goldene Mitte wählen sollen. Bloss nicht! Eine aufrichtige Auseinandersetzung zeigt uns, wo genau wir unterschiedlicher Meinung sind und es hilft vielleicht sogar dabei das Gegenüber tatsächlich zu überzeugen – oder wir werden gar selbst überzeugt.
Ich hoffe, in meinem neuen Buch „Wissenschaftlich erwiesen – Gütesiegel oder Etikettenschwindel?“ die Positionen der Anderen verstanden zu haben. Wahrscheinlich ist es mir nicht immer gelungen.